Imago Paartherapie Beziehungsfrage Dezember 2016
Ich hasse Silvester!
Mein Freund hat mich verlassen!
Meine Frage:
Ich will kein Silvester. Vor allem dieses Jahr nicht. Mir gehen diese Jahresrückblicke auf die Nerven. Jeder schaut zurück, was war gut, wie ist die persönliche Jahresbilanz, was soll sich ändern.
Und dann kommen diese ganzen gruseligen Neujahrsvorsätze! Was man alles anders machen wird, nicht mehr rauchen, abnehmen und was noch alles. Hat sich eigentlich schon mal jemand vorgenommen, im nächsten Jahr zuzunehmen?
Mein letztes Jahr war sch…! Mein Freund hat mich verlassen, obwohl er vorher noch groß rumgetönt hat! Wir gehören für immer zusammen, ich wäre die Einzige, mit der er sein Leben… bla bla bla!
Wir waren zwei Jahre zusammen, aber als es ernst wurde, hat er den Abgang gemacht. Und ich hab ihm auch noch geglaubt, dass er mit mir eine Familie haben will. Jetzt bin ich wieder ganz allein. Ich will nicht zurückschauen. Und was soll ich mir denn da für Vorsätze fürs nächste Jahr vornehmen? Dass ich nicht wieder auf so einen miesen Typ reinfalle?
Wir meinen dazu:
Das ist doch schon einmal ein guter Vorsatz. Nicht wieder auf so einen „miesen Typ“ reinzufallen! Wir glauben allerdings, dass das gar nicht so leicht sein wird. Wahrscheinlich war er gar nicht so mies, zumindest nicht am Beginn eurer Beziehung.
Du hast dich ja schließlich irgendwann einmal in ihn verliebt. Aber wir können gut nachvollziehen, dass Du im Moment ziemlich wütend bist und keine Lust hast, dich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Denn nach einer Trennung sitzt die Enttäuschung tief. Vor allem, wenn mit dieser Beziehung viel Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft verbunden war.
Wut als Selbstschutz
Wahrscheinlich bist Du nicht nur wütend, sondern auch sehr traurig. Wut hilft in solchen Situationen, mit der Verletzung und Zurückweisung umzugehen. Schließlich hast Du deinen Freund sehr geliebt, ansonsten hättest Du vermutlich nicht an eine gemeinsame Familie gedacht.
Und wenn er dann deine Liebe zurückweist, tut es unglaublich weh. Es verletzt und macht dich traurig. Durch die Wut hältst Du dir ein Stück Selbstachtung aufrecht. Und wenn Du deinen Freund abwertest, nimmst Du ihm dadurch auch die Macht, dir weiter weh zu tun.
In den Monaten nach der Trennung ist das eine Form des Selbstschutzes, die Sinn macht. Es verspricht Stabilität und hält dich handlungsfähig. Doch auf Dauer gesehen ist es kein sinnvoller Umgang in der Aufarbeitung deiner letzten Beziehung. Genau genommen ist es keine Aufarbeitung, sondern nur eine momentane Bewältigungsstrategie, um mit dieser Enttäuschung umzugehen.
Vergangenes verstehen
Irgendwann hast Du deinen Freund ja als attraktiv empfunden und dich in ihn verliebt. Und dann müssen im Lauf der Zeit Dinge zwischen euch passiert sein, die letztendlich zur Trennung geführt haben. War in diesen zwei Jahren immer alles in Ordnung für Dich? Hast Du nie Spannungen zwischen euch bemerkt, gab es keinen Streit?
Wir können uns schwer vorstellen, dass Dein Freund sich ohne Anzeichen von heute auf morgen ohne Begründung einfach so trennt. Das gibt es zwar ab und zu auch, doch in der Regel kündigt sich eine Trennung schon länger vorher an, indem die Stimmung immer schlechter wird.
Und daran sind immer beide beteiligt. Beziehungskonflikte kann man als Paar nur gemeinsam gestalten. Für einen „guten“ Beziehungskonflikt braucht es eine genau abgestimmte Interaktion von beiden Partnern, damit es zu einer Eskalation kommen kann. Das klingt vielleicht ironisch, ist aber durchaus ernsthaft gemeint. Alleine kann man nicht streiten!
Und das wäre der Sinn einer Rückschau. Es scheint uns, als könntest Du dir mehrere Dinge anschauen. Wenn Du nicht bemerkt hast, dass zwischen euch etwas nicht passt, wie hast Du dich, Deinen Freund und euch miteinander wahrgenommen? Hättest Du es bemerken können? Oder war es wirklich nicht spürbar?
Und wenn die Stimmung zwischen euch immer schlechter wurde, was war Dein Anteil am Machtkampf? (Der Machtkampf hat eine Funktion und beschreibt in der Imago Paartherapie die Phase nach der Verliebtheit. Mehr dazu hier). Ist dir das ganze zum ersten Mal passiert oder kannst Du Ähnlichkeiten zu früheren Beziehungen erkennen?
Für die Zukunft lernen
Einen Vorsatz zu fassen bedeutet ja, dass die Dinge, die wir in der Vergangenheit getan haben, nicht zu dem geführt haben, was wir uns wünschen. Also können wir uns überlegen: was will ich, will ich das wirklich? Oder auch: warum will ich das? Was habe ich getan, oder auch nicht getan, dass ich es nicht erreicht habe? Warum war das so? Und was könnte ich anders tun, damit ich das bekomme, was ich gerne hätte?
So gesehen ist ein Vorsatz nichts anderes als Erfahrungslernen. Wir lernen aus den Erfahrungen der Vergangenheit. Allerdings nur dann, wenn wir reflektieren, was der eigene Anteil an dieser Erfahrung war. In einer Paartherapie ist das ein wesentlicher Bestandteil.
Natürlich kannst auch wütend und in der Überzeugung bleiben, dass er ein schlechter Mensch ist. Doch dann bliebe noch eine Frage offen: warum hast Du dich in so jemanden verliebt? Zumindest diese Frage solltest Du dir überlegen. Denn sonst besteht die nicht geringe Wahrscheinlichkeit, dass Du das Ganze mit einem neuen Partner wiederholst. Dann wird nächstes oder übernächstes Silvester wieder nicht gut! Und das muss ja nicht auf Dauer so bleiben.
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