“Imago Paartherapie” ist eine von Dr. Harville Hendrix, seiner Frau Dr. Helen Hunt und anderen Psychotherapeuten entwickelte spezielle Form der Paartherapie, die in den letzten 30 Jahren vielen Paaren auf der ganzen Welt geholfen hat, wieder glücklich miteinander zu leben.
Aufgrund seiner Erfahrungen sowohl in der eigenen Beziehung als auch in seiner paartherapeutischen Praxis veröffentlichte Dr. Harville Hendrix 1985 in seinem ersten Buch „So viel Liebe wie du brauchst“ die Imago Methode.
In vier weiteren Büchern, die er zusammen mit seiner Frau Helen schrieb, vertieften und erweiterten sie gemeinsam die Imago Paartherapie.
Die Imago Paartherapie geht davon aus, dass Erlebnisse, die wir in unserer Kindheit mit unseren Eltern hatten, maßgeblichen Einfluss auf unsere späteren Liebesbeziehungen haben, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Etwas Ähnliches vermutete schon C.G.Jung zu Beginn des letzten Jahrhunderts!
Woher kommt der Begriff Imago?
Die psychologische Bedeutung des Wortes Imago, das lateinische Wort für „Bild, Bildnis”, hat ihren Ursprung in der frühen psychoanalytischen Theorie.
Carl Gustav Jung, ein Schüler Freuds und später der Begründer der “analytischen Psychologie”, definiert “Imago” psychologisch zum ersten Mal in seinen neun Vorlesungen, die er im September 1912 an der Fordham University in New York auf Englisch gehalten hat. Er meint dazu:
“Unter diesen Dingen, die für die Infantilzeit von größter Bedeutung waren, spielen die Eltern die einflussreichste Rolle.
Auch wenn die Eltern schon längst tot sind und alle Bedeutung verloren haben könnten und sollten, indem sich die Lebenslage der Kranken seither vielleicht total verändert hat, so sind sie dem Patienten doch noch irgendwie gegenwärtig und bedeutsam, wie wenn sie noch am Leben wären.
Die Liebe und Verehrung, der Widerstand, die Abneigung, der Hass und die Auflehnung der Kranken kleben noch an ihren durch Gunst oder Missgunst entstellten Abbildern, die öfters mit der einstmaligen Wirklichkeit nicht mehr viel Ähnlichkeit haben.
Diese Tatsache hat mich dazu gedrängt, nicht mehr von Vater und Mutter direkt zu sprechen, sondern dafür den Terminus ‚Imago‘ von Vater und Mutter zu gebrauchen, indem es sich in solchen Fällen nicht mehr eigentlich um Vater und Mutter handelt, sondern bloß um deren subjektive und öfters gänzlich entstellte Imagines, die im Geiste des Kranken ein zwar schemenhaftes, aber einflussreiches Dasein führen.”
„Imago” meint also das unbewusst entstehende, erste innere Bild von Bezugspersonen, in der Regel von Vater oder Mutter. Zusammengefasst heißt das:
- Imago ist das innere, meist unbewusste und überwiegend emotionale Abbild der Eigenschaften von wichtigen Bezugspersonen der frühen Kindheit. Dieses innere Bild beeinflusst maßgeblich die Wahrnehmung und das Erleben späterer Beziehungen.
- Die wichtigsten Imagines sind Vater‑, Mutter- und Geschwister-Imago, manchmal auch das der Großeltern. Diese impliziten (bewusst nicht zugänglichen) Erinnerungen werden in der Regel ab der frühesten Kindheit geprägt und bleiben meist lebenslang relativ unverändert erhalten.
- Das „Imago“ ist nicht nur ein inneres Bild sondern auch wie eine Brille, durch die wir andere Menschen wahrnehmen und sehen.
- So können wir nie sehen, was wirklich ist, sondern nehmen unsere Beziehungspartner immer durch diese Brille der impliziten Erinnerungen wahr.
Harville Hendrix hat nun herausgefunden, dass dieses innere Bild, das Imago, eine entscheidende Rolle bei der Partnersuche und bei Beziehungskonflikten spielt!
Wie verlieben wir uns?
Wir verlieben uns, wenn wir dazu bereit sind und dann einem Menschen begegnen, der uns unbewusst an dieses innere Bild erinnert, das unserem Imago entspricht. Man könnte auch sagen, wir verwechseln einen Menschen mit unseren ersten wichtigsten Bezugspersonen.
Damit das möglich ist, beginnt nun die Ausschüttung des Hormons Phenylethylamin (und einiger anderer Substanzen). Das führt dazu, dass wir den Geliebten/die Geliebte durch die „rosarote Brille“ wahrnehmen.
Dieser Blick durch die rosarote Brille ist jedoch nichts anderes als eine Wahrnehmungstrübung. Wir interpretieren dann jegliches Verhalten aus den positiven Erinnerungen unseres Imagos, die negativen Erinnerungen und Assoziationen können wir aufgrund des verklärten Blicks in diesem Moment noch nicht wahrnehmen.
Warum verlieben wir uns?
Wir brauchen diesen Blick durch die „rosarote Brille“ um uns an einen Menschen zu binden, mit dem wir auch die negativen Erfahrungen unserer Imago Geschichte aufarbeiten können. Ohne die „rosarote Brille“ wäre das nicht möglich. Wir würden sehen, was uns erwartet und keine Beziehung eingehen.
Wenn wir uns verlieben, dann haben wir einen Menschen gefunden, der uns unbewusst an unsere ersten wichtigsten Bezugspersonen erinnert. Dabei geht es weniger um optische Ähnlichkeiten, vielmehr sind es bestimmte Verhaltensweisen, die diese impliziten Erinnerungen auslösen. Wir wollen, dass uns dieser Mensch alle unerfüllten Entwicklungsbedürfnisse, die zu Konflikten mit unseren frühen Bezugspersonen geführt haben, erfüllt. Das Gefühl der Verliebtheit ist die Hoffnung und der Glaube: “Jetzt wird alles gut”!
Wir suchen, was uns fehlt!
Wenn wir als Kind aufwachsen, dann haben wir je nach Altersstufe unterschiedliche Entwicklungsbedürfnisse. Dabei geht es um eine Aufgabe, die wir mithilfe unserer wichtigsten Bezugspersonen lernen, erfahren oder erfüllen müssen, um unseren nächsten Entwicklungsschritt gehen zu können.
Wenn die Eltern, aus welchem Grund auch immer, nicht in ausreichendem Maß darauf eingehen können, entstehen unbewusst Angst und Stress. Teile einer Entwicklungsaufgabe werden nicht vollständig abgeschlossen, bleiben also offen und suchen nach wie vor Erfüllung.
Wichtige Entwicklungsthemen beim Aufbau von Beziehungsfähigkeit, Individualität und eigener Persönlichkeit
Alter: 0 – 18 Monate Entwicklungsthema: Bindung Hier steht im Mittelpunkt der Aufbau einer sicheren Bindung. Als ganz kleines Kind brauchen wir eine verlässliche Bezugsperson, die sowohl real als auch emotional ständig erreichbar ist und empathisch auf die Bedürfnisse nach Sicherheit und Nähe eingeht.
Alter: 18 – 36 Monate Entwicklungsthema: Exploration Jetzt beginnen wir, unsere Umwelt zu erforschen. Durch die Weiterentwicklung der Motorik können wir uns nun selbstständig bewegen und uns selbst in der Auseinandersetzung mit unserer nahen Umwelt besser kennen lernen. Von den Eltern brauchen wir in diesem Zeitraum, dass dieses „Erforschen“ möglich ist, gleichzeitig aber auch sichere Grenzen dabei vermittelt werden.
Alter: 3 – 4 Jahre Entwicklungsthema: Identität In diesem Alter liegt der Schwerpunkt bei der Entwicklung der eigenen Identität, der eigenen Persönlichkeit. Nachdem wir in der vorhergehenden Phase unsere Umgebung erforschten, beginnen wir nun herauszufinden, wer wir selbst sein können. In dieser Entwicklungsphase probieren Kinder verschiedene Identitäten aus, über das imitieren von Tieren bis hin zu Rollenspielen und Verkleidungen. Dabei ist am wichtigsten, dass die Eltern die verschiedenen Identitäten wertfrei spiegeln und momentan anzunehmen.
Alter: 5 – 6 Jahre Entwicklungsthema: Kompetenz Nachdem wir wissen wer wir sind, versuchen wir nun herauszufinden was wir können. In diesem Abschnitt der Entwicklung probieren wir unsere Fähigkeiten im Spiel, in Basteln, in Bauen, im Kreieren von neuen Dingen aus. Hier brauchen wir, ähnlich wie in der zweiten Entwicklungsstufe (Exploration) ein anerkennendes und unterstützendes, zugleich aber auch schützende Grenzen setzendes Verhalten der Eltern. Wenn Eltern die Leistung wieder über- noch unterbewerten, sondern angemessen spiegeln, entsteht eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten.
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Die unbewusste Beziehung und der Machtkampf
Etwa ein bis zwei Jahre nach der Verliebtheitsphase, wenn die rosarote Brille langsam verblasst, befürchten beide Partner, wieder nicht zu bekommen, was sich jeder so sehnlichst wünscht.
Denn dann sinkt der Phenylethylaminspiegel, und beide glauben im anderen die negativen Anteile ihres Imagos zu erkennen. Das sind die Eigenschaften, die befürchten lassen, das eigene Entwicklungsbedürfnis wieder nicht erfüllt zu bekommen.
Jetzt beginnt die Phase des Machtkampfes. Jeder versucht vom anderen etwas zu bekommen, was der andere scheinbar nicht geben kann. Diese Enttäuschung führt dann über kurz oder lang zur Trennung oder zum Rückzug in der Beziehung.
Verliebtheit und Machtkampf sind Ausdruck der “unbewussten Beziehung“. Paare wissen nicht, warum sie wirklich zusammenkommen und worin der tiefere Sinn von Beziehungskonflikten verborgen liegt.
Die bewusste Beziehung
Um von einer unbewussten in eine bewusste Beziehung zu kommen braucht es Klarheit in mehreren Punkten:
- Wie setzt sich mein Imago zusammen und was ist meine offene Entwicklungsaufgabe? Und wie sieht das bei dir aus?
- Welche alte Geschichte wiederholt jeder von uns?
- Was brauchst du von mir, was ich dir nicht geben kann und was möchte ich von dir, was du mir nicht geben kannst.
- Warum ist es eigentlich so schwer dir zu geben, was du brauchst?
Win-Win, zwei Gewinner und kein Verlierer
Beziehungskonflikte sind ein Zeichen dafür, dass sich Menschen in Beziehung weiterentwickeln wollen. Und es finden sich immer zwei Menschen, wo einer dem andern scheinbar nicht geben kann, was er braucht. Das zu lernen ist das Besondere am gemeinsamen Entwicklungsweg der Imago Paartherapie. Denn wenn beide lernen, zu geben was der andere jeweils braucht, kann sich beim Geben jeder weiterentwickeln.
Das ist nicht immer ganz einfach, weil dabei unbewußte und alte Ängste aus der frühen Kindheit aktiviert werden.
Ein Beispiel: in einer Beziehung braucht ein Partner aufgrund seiner Bindungserfahrungen mehr Nähe, der andere aufgrund seiner Explorationserfahrung mehr Distanz. Beide glauben nun, sie könnten dem anderen nicht geben, was er braucht, weil dadurch das eigene Bedürfnis nicht erfüllt würde. Wenn nun doch jeder dem anderen gibt, was er braucht, bekommt jeder sein Bedürfnis erfüllt. Und gleichzeitig lernt jeder, dass die alten Ängste sich nicht bewahrheiten, und dann gibt es zwei Gewinner und keinen Verlierer.
Imago Paartherapie-die Praxis
Eines der wichtigsten Werkzeuge in dieser Arbeit ist der “Imago-Dialog“. Das ist eine strukturierte und durch uns therapeutisch begleitete Gesprächsform dieser Paartherapie..
Dabei lernen Paare gemeinsam, die aktuellen Beziehungskonflikte konstruktiv zu bearbeiten. Gleichzeitig wird dabei an dem Verständnis über die tiefenpsychologischen Hintergründe sowie an Veränderungs- und Wachstumsmöglichkeiten gearbeitet.
Mit verschiedenen anderen Dialogformen und Methoden wird dann die konkrete Umsetzung der erlernten Inhalte im alltäglichen Beziehungsleben erreicht.
Sowohl auf kognitiver als auch auf einer tiefen emotionalen Ebene lernen beide Partner, die eigenen unbewussten Entwicklungsaufgaben zu identifizieren und die Auswirkungen von frühen Kindheitserfahrungen auf die Beziehung zu erkennen und im weiteren auch miteinander zu verändern.