Imago Paartherapie Beziehungsfrage April 2017
Mein Mann hat mich verlassen.
Wie kann ich jemals wieder vertrauen?
Meine Frage:
15 Jahre lang waren wir ein glückliches Paar. So habe ich jedenfalls geglaubt. Bis mein Mann mir eines Tages völlig überraschend eröffnete, er hätte sich verliebt. Das war ein Schock für mich. Ich habe nicht im Traum daran gedacht, dass mir so etwas passieren könnte.
Wir haben viel geredet und ich habe alles versucht, damit wir zusammenbleiben. Zu meiner großen Enttäuschung hat er mich dann aber doch verlassen. Nicht nur das, schlimmer noch: Nach unserer Scheidung hat er die Frau geheiratet, mit der er über zwei Jahre lang die Affäre hatte.
Seither bin ich „Vertrauens-verletzt“, wie ich es nenne. Kann ich jemals wieder einem Menschen vertrauen? Ich war mir so sicher, dass ich liebenswert bin und auch geliebt werde. Doch diese Sicherheit ist mit der Trennung verloren gegangen. Stattdessen bin ich voller Misstrauen. Ich weiß nicht, ob ich mich jemals wieder auf eine Partnerschaft einlassen kann.
Was wir dazu meinen:
Vertrauen ist die Seele wirklicher Liebe, anders als das Feuer der Verzückung während einer Verliebtheit.
Vertrauen öffnet, macht berührbar, verletzlich und erzeugt scheinbar unendliche Schmerzen, wenn es missbraucht wird. Wir können gut nachvollziehen, wie es Dir gehen muss, nachdem dieses Vertrauen aus deiner Sicht so enttäuscht, so missbraucht wurde. Und auch Dein Zweifel, ob du dich jemals wieder einlassen kannst, ist sehr verständlich. Wie kann ich wieder lieben, wenn ich so enttäuscht wurde?
Wenn ich so „enttäuscht“ wurde…! Leid entsteht durch Täuschung. Und die wiederum setzt eine Erwartungshaltung voraus, die sich nicht erfüllt. Obwohl Du doch, wie alle Liebenden, fest damit gerechnet hast. Je länger Du in einer Illusion der gemeinsamen Vertrautheit gelebt hast, umso schmerzhafter ist die Erkenntnis, dass eine vermeintliche Nähe und Verbundenheit vielleicht nur eine Täuschung war.
Vertrauen, was ist das?
Aus unserer Sicht bedeutet Vertrauen in Beziehung: Ich kann mich darauf verlassen: dir sind meine Bedürfnisse genauso wichtig, wie dir selbst deine eigenen. Und in deinem Handeln, Denken und Fühlen hat unsere Gemeinsamkeit die gleiche Wichtigkeit, wie deine Individualität.
Ich kann mich darauf verlassen: du willst und tust mir und uns Gutes.
Ein wenig nüchterner ausgedrückt: dein Verhalten ist für mich berechenbar in dem Sinn, ich kann mir sicher sein: Bei all deinem Tun schätzt du mein Wohlbefinden nicht geringer, als dein eigenes.
Um das zu erleben, braucht es gemeinsame Erfahrungen. Zusammen müssen beide Partner immer wieder aufs Neue Situationen erleben, in denen sich jeder so verhält, dass beide sich zunehmend sicherer fühlen.
Und solche Erfahrungen entstehen in gemeinsamen Erlebnissen, oder noch besser, in miteinander bewältigten Herausforderungen. Dabei sollte die Gewissheit entstehen: „Ich kann mich auf dich verlassen“. Das zu spüren braucht Zeit und ist ein Entwicklungsprozess, der zwangsläufig nicht reibungslos verlaufen kann.
Vertrauen, warum es enttäuscht wird
In der Imago Paartherapie gehen wir von verschiedenen Phasen einer Beziehung aus. Am Beginn steht immer die Verliebtheit! In diesem wunderbaren und fast mystischen Moment anfänglicher Verzauberung vertrauen wir darauf, von einem vollkommen unbekannten Menschen all unsere unbewussten und offenen Kindheitsbedürfnisse erfüllt zu bekommen.
Dieses Vertrauen muss zwangsläufig enttäuscht werden, weil wir ja aufgrund unseres Imago einen Menschen auswählen, der nicht oder nur bedingt in der Lage ist, diese Bedürfnisse zu erfüllen. Im Gegenteil. Wir erwarten etwas, das für den Partner, die Partnerin, als eine fast nicht zu bewältigende Herausforderung erscheint.
Das Grundprinzip der Imago Paartherapie heißt „Heilen und Wachsen“. Beide lernen dem jeweils anderen zu geben, was er oder sie aufgrund der eigenen Lebensgeschichte zu wenig bekommen hat und folglich immer noch braucht. Durch dieses “Geben” können beide Partner lernen, die eigenen unbewussten Kindheitsängste zu bewältigen.
Nach der Verliebtheitsphase kommt üblicherweise die Zeit der Differenzierung. Hier erleben wir, dass das gegenseitige Vertrauen vom Beginn unserer Beziehung zumindest teilweise enttäuscht wird. Nämlich immer dann, wenn eigenen Ängste stärker werden als der Wunsch, die Bedürfnisse des Gegenübers zu erfüllen. Besonders schwer wird es, sollten diese Bedürfnisse unverständlich, verletzend oder sogar abwertend ausgedrückt werden.
Eine Folge davon ist oft, eigene Bedürfnisse immer weniger auszudrücken und so die Angst vor Enttäuschung oder Zurückweisung zu vermeiden. Um die Beziehung jedoch nicht zu verlieren, passt sich ein Partner immer mehr an und erfüllt scheinbar die Vorstellung des anderen.
Die eigenen Wünsche werden unterdrückt, nicht realisiert, und wenn es gar nicht mehr anders geht, zunehmend außerhalb der Beziehung befriedigt. So entsteht die Täuschung, durch die ein Partner glaubt alles ist gut, während der andere sich Schritt für Schritt aus der Gemeinsamkeit entfernt. Paradoxerweise mit dem Wunsch, dadurch eine Art der Gemeinsamkeit zu erhalten. Doch das funktioniert leider nie auf Dauer.
Irgendwann lässt sich diese Form der Beziehungsstabilisierung nicht länger aufrechterhalten. Und bei demjenigen, der in der Illusion einer heilen Beziehung lebte, bricht dann eine Welt zusammen.
Was also tun?
Wie also zukünftig damit umgehen? Niemanden vertrauen? Keine Partnerschaft mehr eingehen? Wir glauben nicht, dass das eine gute Idee ist.
Vielmehr gilt es davon auszugehen, dass Dein Partner ziemlich sicher Bedürfnisse hat, die den eigenen Vorstellungen und Erwartungen entgegenstehen. Und wenn sie nicht erkennbar sind oder benannt werden, dann solltest Du nicht davon ausgehen, dass alles gut ist.
Sondern, im Gegenteil, aufmerksam werden und nachfragen: Was fehlt dir in unserer Beziehung? Was würdest du gern ändern? Was kann ich dazu beitragen, dass es möglich ist? Oder auch: wie verhalte ich mich, dass du es mir nicht erzählen willst?
Die Antworten, die Du dann bekommst sind vielleicht nicht immer genau das, was Du hören möchtest. Doch Vertrauen entsteht auch aus der gemeinsamen Bewältigung von scheinbar unterschiedlichen Beziehungserwartungen. Und dafür ist die Offenheit und Anerkennung der Andersartigkeit des Gegenübers die wichtigste Voraussetzung.
Ähnliche Probleme? Unsere Beziehungsklärung kann helfen, dass es nicht soweit kommen muss. Mehr dazu hier: https://www.brehms.eu/imago-paartherapie/imago-paartherapie/#bzk