Imago-Paartherapie Beziehungsfrage Mai 2015
Wie ist das mit Kritik?
Darf ich sagen, was mir nicht passt?
Meine Frage:
In eurem Imago Paartherapie Workshop, an dem wir neulich teilnahmen, habt ihr das Experiment „Drei Tage frei von Kritik am Partner“ vorgeschlagen. Das hat uns gut gefallen, war aber gar nicht so einfach.
Jetzt, nach dem Workshop, würde ich das schon gerne weitermachen. Aber wie kann ich meiner Frau sagen wenn mir etwas nicht passt? Ist das schon Kritik? Oder muss ich jetzt alles hinnehmen und darf gar nichts mehr sagen? Das halte ich nicht aus!
Wir meinen dazu:
Selbstverständlich darfst du mit deiner Frau darüber sprechen, was dich beschäftigt. Allerdings kommt es dabei auf das “wie” an! Es ist ein großer Unterschied, ob du deine Frau kritisierst und sagst was sie tun oder nicht tun soll, oder ob du über deine Bedürfnisse und Gefühle sprichst.
Deine Verantwortung ist es zu lernen von dir zu sprechen und darüber zu reden, was du wirklich brauchst. Und zwar so, dass sich deine Frau dabei nicht angegriffen fühlt, sondern deine tieferen Beweggründe nachvollziehen kann.
Wir neigen häufig dazu, den Partner/die Partnerin für die eigenen Gefühle verantwortlich zu machen. Zum Beispiel: “Ich ärgere mich jedes Mal darüber, wenn du so lange mit deiner Freundin telefonierst! Es ist doch immer das gleiche was ihr euch erzählt, hör einfach auf damit!”.
Deine Frau fühlt sich vermutlich angegriffen und reagiert mit ihrem Schutzmuster (“Das geht dich gar nichts an“). Daraufhin greifst du vermutlich diesen Schutzmechanismus an (“nie bist du offen und ehrlich zu mir”) usw. und die Abwärtsspirale von Angriff und Gegenangriff eskaliert. Die Imago Paartherapie beschreibt diese Eskalationsspirale als “Machtkampf”!
Wenn uns etwas nicht passt, dann ist es einfacher zu sagen, was wir nicht wollen. Oder wir sagen genau, was der andere tun soll. Dabei vermeiden wir, über das eigene Bedürfnis und die dazugehörigen Gefühle zu sprechen. Und häufig verpacken wir darin noch eine Abwertung unseres Partners/unserer Partnerin.
Die Imago Paartherapie beschreibt dieses Verhalten als typisch für eine “unbewusste Beziehung”. Damit ist gemeint, dass beide Partner sich ihrer wirklichen, tieferliegenden Bedürfnisse nicht bewusst sind und/oder sie nicht so ausdrücken können.
Kein Wunder, wenn wir dann nicht bekommen, was wir brauchen.
Jede Kritik am Partner/an der Partnerin drückt ein unerfülltes Bedürfnis aus. “Kritik ist das Weinen der Erwachsenen“! Und dieses “Weinen”, diese Kritik, ist meistens vage, indirekt, unklar und negativ.
Aber gerade weil wir erwachsen sind, geht es auch anders! Nämlich klar, wertschätzend, verantwortungsvoll und konstruktiv:
“Wenn du so lange mit deiner Freundin telefonierst hab ich Angst, dass ich dir nichts mehr bedeute und für dich unwichtig bin. Ich möchte aber der wichtigste Mensch in deinem Leben sein. Dann fühle ich mich sicher und geliebt. Können wir uns jeden Abend 20 Minuten Zeit füreinander nehmen? Ich würde dir gern erzählen, was mich gerade beschäftigt. Und ich möchte auch gerne dir zuhören, was dich bewegt.“
So klingt eine bewusste, respektvolle, positiv ausgedrückte Bitte, bei der deine Frau auch spüren kann, um was es dir geht und wie du dich dabei fühlst. Dadurch wirst du von deiner Frau auch ganz anders wahrgenommen, und deine Bitte bekommt eine andere Bedeutung. Denn wem erfüllen wir lieber etwas: dem Partner, der nörgelt, kritisiert, verletzt und abwertet? Oder dem selbstbewussten, liebenden und positiven Gegenüber?
Das ist vermutlich eine Herausforderung für viele Menschen in einer Partnerschaft: Verhalte dich so, dass dein Partner/deine Partnerin dich lieben kann. Gerade dann, wenn du möchtest, dass er oder sie auf dich eingeht.
Viel Erfolg auf eurem weiteren Weg zu einer bewussten Beziehung!
Kommentare
Imago-Paartherapie Beziehungsfrage Mai 2015 — Keine Kommentare
HTML tags allowed in your comment: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>